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Deine abgelegte Vergangenheit ist nicht mehr relevant

Es war einmal… nun ist es Zeit es loszulassen

ich habe Euch sehr lieb

Gerade habe ich meine Unterlagen aufgeräumt. Das hängt wohl damit zusammen, dass ich nun Rentner bin. Ich besitze einen Pensionisten-Ausweis und eine einsprechende Rente. Als diese Informationen offiziell per Post zugestellt wurden, habe ich sie in meinen Ordnern abgelegt und dabei festgestellt, dass ich im Laufe meines Lebens viele Dokumente abgelegt habe. Zeugnisse zum Beispiel. Diplome, Bescheinigungen, Fortbildungsnachweise, Urkunden und vieles mehr. Ich frage mich, wen interessiert das alles noch? Soll ich alles hübsch chronologisch geordnet aufbewahren? Werden meine Kinder nach meinem Tode sich durch mein abenteuerliches Leben hindurchwühlen wollen und etwas Neues über ihren Vater erfahren? Möchte ich das? Die Antwort ist ein klares NEIN! Es wird Zeit mich von der abgelegten Vergangenheit endgültig zu verabschieden. All das, was ich war, geleistet und erlebt habe hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Ein Rentner, der außer sich selbst wenig besitzt, viel erlebt hat, viel erzählt hat und einiges niedergeschrieben hat. Oft lese ich, dass Kinder nach dem Tode ihrer Eltern oder Großeltern nach ihren Wurzeln in der Geschichte ihrer Vorfahren suchen. Das verstehe ich, wenn sie diese nicht gekannt hat. Das ist bei mir nicht der Fall. Meine Nachkommen und Verwandte haben mich gekannt. Wenn sie mehr über mich erfahren wollen, dann haben sie viele Möglichkeiten es zu tun. Ihnen meine abgelegten Leistungsnachweise zu hinterlassen, wird ihnen kein zusätzliches Bild vermitteln, sondern eher eine Bürde bedeuten. Was sollen sie damit groß anfangen, außer diese zu entsorgen? Ich möchte ihnen diese Bürde ersparen und selber dafür sorgen. Meine abgelegte Vergangenheit ist weder für mich noch für irgendjemand relevant. Ich habe nichts zu verschönern oder zu verbergen, ich muss niemanden mehr nachweisen, dass ich qualifiziert bin ein Job zu verrichten, oder an einer Bewerbung teilzunehmen, denn nun bin ich ein Rentner. Kein diplomierter mehr, sondern einfach nur ein Rentner. Ich habe vor, noch viel zu tun, werde so lange weitermachen, wie es mir möglich ist. Irgendwo habe ich gelesen, dass „Loslassen“ eine hilfreiche Voraussetzung für ein erfülltes, glückliches Leben ist. Ich fange bei mir selbst an; lasse meine abgelegte Vergangenheit endgültig los. Für meine Kinder und alle die mich geliebt und gekannt haben, wünsche ich mir das gleiche. Behaltet mich so in Erinnerung, wie ihr mich erlebt habt und sucht nicht nach etwas, was nicht mehr vorhanden ist. Das hilft euch kaum weiter im Leben. Wenn ihr was für euch tun wollt, dann schafft ihr es auch ohne meine abgelegte Vergangenheit. Wenn ihr im Laufe eures Daseins mehr über mich erfahren wollt, dann gibt es genug Material über mich, dass ich nicht in Ordnern abgelegt habe.

Nachwort

Diese ganzen Zeugnisse und Urkunden einfach zu vernichten, ist schwerer als ich vermutet habe. Ich werde es noch etwas hinauszögern, aber ich werde es definitiv tun. Noch habe ich das Gefühl, ich würde etwas von mir ausradieren – was natürlich irrational ist. Loslassen braucht doch Zeit.

 

Einige wenige Stationen eines bewegten Ausbildungs- und Berufsleben. Mein Gott, was habe ich alles gemacht. Kein Wunder, dass ich heute so müde bin.

Sollte ich stolz auf all das sein? Um ehrlich zu sein, nein, nicht wirklich. Ich denke ich bin eher stolz, wie ich mit meinen Voraussetzungen mein Leben gemeistert habe. Bei meinem ersten Zeugnis, mein Kindergartenzeugnis im Dezember 1963, wurde mir folgendes attestiert:

Beobachtungen:
Zu sensibel, sehr liebebedürftig, nicht sehr anpassungsfähig, etwas eigensinnig, oft sehr nervös. Kompliziertes, aber vielseitig begabtes Kind.

Ich hatte es bei Gott nicht leicht mit mir – aber ich habe trotzdem etwas aus mir gemacht. Zugegeben, oft hatte ich mehr Glück als Verstand. Wenn ich, was an dieser Stelle anmerken darf: Alles, was du im Leben tust, solltest du für dich tun und nicht um anderen Menschen zu imponieren. Leider habe ich das zu spät erkannt. Ehrungen, Diplome, Titel, Zeugnisse und Nachweise sind am Ende irrelevant. Wenn du lieben kannst, weil du dich selbst magst, dann war dein Leben wertvoll. Als Kind denkst du dir nichts dabei, wenn du dich nackt vor dem Spiegel stellst. Als Erwachsener versteckst du dich hinter einer Fassade von Auszeichnungen und manchmal auch Güter, um dich aufzuwerten. Der Mensch neigt dazu, sich seiner wahren Identität zu entfremden. Ich bin zu sensibel, extrem liebebedürftig, ziemlich eigensinnig und kaum anpassungsfähig. In einem Punkt stimme ich mit meiner damaligen Kindergärtnerin nicht überein. Ich bin nicht sehr begabt, sondern habe gelernt so zu tun, als ob ich es sei. Wäre ich wirklich begabt, dann hätte die Welt mich mehr beachtet und ich wahrscheinlich daran zerbrochen.

Ich werde getrost mit gutem Gewissen meine abgelegte Vergangenheit entsorgen. Ich bin ein durchschnittlicher Mensch, der sein Leben irgendwie auf die Reihe bekommen hat. Darauf bin ich stolz. Eines kann ich euch versichern, ich habe Euch, die mich in meiner Reise begleitet haben, sehr, sehr lieb. Wenn ihr einen anderen Eindruck von mir hattet, dann entschuldige ich mich bei euch.

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