Zum Inhalt springen

Der alte Mann und der Berg

Berge sind unser Ding. Wo auch immer ein Berg ist, müssen wir hinauf. So auch gestern. Wir fuhren nach Gemona di Friuli in Italien, knappe 1,5 Stunden mit dem Auto von unserem Heim entfernt. Der Chiampon, knappe 1700 m hoch, lachte uns entgegen. Wir parkten ziemlich weit unten, nicht wie in der Beschreibung der Route vorgeschlagen wurde und so wurden es 1200 Höhenmeter, statt den angegebenen 900. Unsere gewählte Route war 3,9 km einfache Strecke, also eine Durchschnittssteigung von 31%. Das ist ziemlich knackig. Das Gelände erwies sich als mittelschwer, vor allem die zweiten 600 Höhenmeter. Ich befinde mich immer noch im Aufbau, nach meiner schweren Erkrankung vom letzten Jahr. Mittlerweile schaffe ich 700 hm pro Stunde, worüber ich auch stolz bin (400 hm sind so Standard für gute Wanderer). Auch gestern ging es ganz gut mit der Kondition. Auf einmal war ein älterer Mann mit seiner Frau hinter uns. Sie kamen von der anderen Seite hoch. Der Typ überholte uns, seine Frau hingegen blieb ein ganzes Stück zurück. Das lässt sich Horstl so nicht gefallen und hat sofort zugeschlagen. Also bin ich an dem Typ wieder vorbei, in der Überzeugung, dass er auf seine Frau warten würde. Pustekuchen. Der war locker 70, drahtig wie die Sau, ein Leichtbau sozusagen und unglaublich fit. Er heftete sich ohne Mühe an unseren Fersen, mit den Händen in den Hosentaschen ohne außer Atem zu kommen. Dann passierte es. Ich blieb stehen und ließ den vorbei. Totale Niederlage, psychisch und physisch komplett zerlegt. Das Grinsen des alten Mannes gab mir den Rest. Ok, dachte ich mir, den sind wir los und zumindest konnte ich mich mit „so ein Arsch, der seine Frau alleine lässt“ trösten. Es dauerte vielleicht 10 Minuten, da kam der Depp tatsächlich wieder mit einem Affenzahn rennend uns entgegen. Ich dachte ich sehe nicht recht, was tut der da! Na gut, der läuft zu seiner Frau zurück, um mit ihr gemütlich hochzuwandern. Es kam noch viel schlimmer. Nach einigen Minuten war der schon wieder bei uns, drehte wieder um und lief Bergab. Das hat der drei oder viermal gemacht, immer mit einem höhnischen Lächeln im Gesicht, die Hände lässig in den Hosentaschen drinnen und ohne Schnaufen. Selten wurde ich psychisch so zerlegt. Oben am Gipfel habe ich gesehen, dass der im Rucksack jede Menge Bergsteigerausrüstung wie Seile und Haken hatte. Klar war das ein Megaprofi, der sein Leben am Berg verbringt. Meine 700 Höhenmeter pro Stunde habe ich geschafft, aber ganz ehrlich, so richtig Spaß gemacht hat es mir nicht. Beim Runtergehen war ich nachdenklich und frustriert, es gibt ältere und viel fittere Säcke als mich. Dann hat mir noch mein Knie wehgetan. Letzte Woche bin ich nämlich beim Runterlaufen an einer Eisplatte ausgerutscht und gestürzt. Knie ist immer noch Blaugrün und an meinem Kopf leuchtet eine Beule. Das muss wohl der Grund gewesen sein, dass ich dieses Mal den Kürzeren gezogen habe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.