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Deutsche Kotzbrocken

Beitrag gibt es auch als Podcast

Prolog

An manchen Tagen schlüpfe ich in die Rolle des Antideutschen. Das tue ich nicht um meine Landsmänner zu beleidigen! Ich denke mir nur, wie wir bei anderen Völkern ankommen und so versuche ich mich in jene hinein zu versetzten. Ich habe schon viel über uns Deutsche gehört. Nicht alles ist wahr, einiges leider schon.

In den Bergen

Traumpanorama in Südtirol, da will man hin
Traumpanorama in Südtirol, da will man hin

Wir kennen das nicht so. In den Bergen, speziell Südtirol während der Haupturlaubszeit. Sonst sind wir hier, wenn andere arbeiten. Klar, Südtirol ist sehr gut über den Brenner erreichbar, der nur dreißig Kilometer von Brixen entfernt ist. Ludwigsburger, Stuttgarter, Heilbronner, Tübinger, Karlsruher – die haben es nicht wirklich weit. Zurzeit haben sie Schulferien. Die Bayern noch nicht, dafür aber die aus Unna und Gelsenkirchen. Meine Herren, meine Landsfrauen und Männer. Das ist der Hammer, wenn sich Stuttgarter und Gelsenkirchener lauthals und gemeinsam über das Essen beschweren. Alkohol ist im Spiel, Frust ist im Spiel, denn es kostet ja Geld – und für sein Geld will man ja was haben. Dann wird noch über die soeben Abgereisten aus Unna gelästert – mit so einem kleinen Wagen fährt man nicht hierher, wie schrecklich. Die Stuttgarter haben einen Jaguar, die Gelsenkirchener ein Polo. Horstl sagt zu den Stuttgartern, weil er gefragt wurde, dass er seine Schul- und Studiumszeit dort verbracht hat und er jetzt in Klagenfurt lebt. Und da kommt ihr her – wird er gefragt??? Ok, zugegeben, wenn wir gewusst hätten, dass ihr hier seid, hätten wir es nicht getan. Das wars – ich bin ein Kotzbrocken. Immerhin sind es Stuttgarter gewesen, wo ich ja meine Jugend verbracht habe, ein Haufen Weiber angebaggert habe, Partys und Saufereien erlebt habe, Freunde hatte, von der Schule geflogen bin, aus dem Fenster von der Ariane gesprungen bin, weil der Vater zu früh nach Hause kam, usw., usw.. Ich habe schon eine gewaltige Rüge von Traumfrau erwartet. Und was passiert – nichts. Traumfrau ist voll happy. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte ich auch die Stuttgarter samt Gelsenkirchener verprügeln dürfen – so ein Misst – hätte ich es vorher gewusst.

Ich bin nach einer 5 Stunden Wanderung mit 1200 hm noch 5 km Laufen gegangen. Danach habe ich mich auf unseren Balkon mit Traumfrau zurückgezogen. Wir haben da einen Traumblick gehabt. Ab und zu hörte ich die Schwaben lallen, die Gelsenkirchener krähen – ich hasse diesen Ruhrpottdialekt – und das hysterische Einzelkind im Whirlpool quaken. Der Kleine war gut 5 Stunden im Wasser, Vater beim 5ten Bier und Mutter mit Migräne im Zimmer. Welch Idylle. Ich liebe und verehre Traumfrau immer mehr, denn wir hatten für diese Nobel-Unterkunft Gutscheine, die sonst verfallen wären, eingelöst. Zwei Nächte, keine Verlängerung. Jetzt sind wir wo anders. Ich habe es auch schon hier schwäbeln hören. Ich bin mal gespannt. Traumfrau hat aber schon die Megawanderungen ausgekundschaftet. So ist das halt. Südtirol ist sehr beliebt. Wir kommen nur noch in der Nebensaison. Ich verstehe ja meine deutschen Landsfrauen und Männer. Man will sich ja was gönnen und gibt eine Menge Geld dafür aus. Da kann man sich schon wie Arschlöcher benehmen. Der Hammer hat heute Traumfrau geliefert. In der Gondel hat sie mir zu verstehen gegeben ja kein Deutsch zu sprechen. Da waren außer uns noch welche aus Unna drinnen. Nordrhein-Westfalen lässt grüßen. Die waren aber sowas von Obergescheid und gestunken haben sie auch noch. Oh je, ich bin sehr ungerecht. Die Region hier lebt ja vom Tourismus. Deutsche, Schweizer, Holländer, Belgier zahlen gut und werden dringend gebraucht. Da kann man schon ein Auge zudrücken. Wir sind ja auch Touristen. Ich glaube ich entwickle mich zum ungenießbaren pedantischen Kritiker. Ich habe ja auch eine Menge deutsches Blut in mir – echte Kotzbrocken eben! Gott sei Dank habe ich Traumfrau immer dabei – die ist nicht so. Wenn es ihr mit mir zu bunt wird, weckt sie den Chilenen in mir – da geht es uns beiden prima miteinander.

Epilog
Liebe deutsche Landsmänner und Landsfrauen. Nehmt es nicht alle persönlich. Nehmt es mit deutschem Humor zur Kenntnis. Seid einfach etwas unauffälliger und respektvoller im Ausland, sauft euch nicht ständig die Rübe voll und versucht euer lautes deutsches Organ etwas zu zügeln. Euer Geld ist schon sehr wertvoll, kommt alle her und bewundert dieses wunderschöne Land und ihre Einwohner. Sie werden es euch danken. Ach ja – und hört endlich auf so megamässig anzugeben. Kümmert euch lieber um eure respektive Männer oder Frauen samt Kinder – unternehmt was Schönes gemeinsam, gafft nicht ständig nach fremden Männern und Frauen.

2 Gedanken zu „Deutsche Kotzbrocken“

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