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Die Gegenwart ist leben und sterben

Wer kann das schon verstehen, was das Jetzt ist? Nehmen wir einen Zeitpunkt im Lebensraum an. Vor diesem Punkt liegt die Zukunft, dahinter die Vergangenheit. Diese Punkte haben keine zeitliche Ausdehnung, sind also zeitfrei und doch existieren sie. Verwirrend oder? Es ist nicht wie bei einem Film, der einzelne Bilder nacheinander ablaufen lässt, da diese Bilder für einige Millisekunden eingeblendet werden. Würden wir das Jetzt in seiner Ganzheit wahrnehmen wollen, müssten wir unendlich viele Zeitpunkte erfassen können. Was tun wir also? Ich vermute wir erfassen einen Zeitpunkt, frieren es ein und verarbeiten diese Information. In der Zwischenzeit passiert unendlich viel, ohne das wir was davon mitbekommen. Unsere Realität ist demnach nur ein Abbild eines unendlich kleinen Bruchteils der Wirklichkeit.  Wir integrieren die differenzierte Welt zu einem Bild zusammen, unsere persönlich erlebte Realität im Hier und Jetzt.

Was hat das für Konsequenzen für unser Leben? Wahrscheinlich gar keine. Wir sind der Zeit unterworfen. Unsere Existenz ist in Zeitportionen unterteilt, ein ablaufender Film, der sich aus einzelnen Augenblicken in der Zeit vorwärts bewegt. Wir blicken zurück und orientieren uns an vergangene Bilder. Wir feiern jährlich Geburtstag, obwohl wir nur einmal geboren sind. Manchmal feiern wir auch Todestage, wenngleich nicht unsere Eigene. Wir transportieren die  Vergangenheit in modifizierter Form in die Gegenwart. Wir blicken auch in die Zukunft, versuchen unser Leben durch planen zu gestalten. Auch hier transponieren wir eine nicht existenten Zukunft in unsere Gegenwart. Mit der Tatsächlichen Gegenwart, dem Hier und Jetzt, tun wir uns erstaunlich schwer. Warum das so ist, ist für mich nachvollziehbar, denn wir suchen ständig nach Referenzen und Vergleiche. Man könnte auch den Begriff Orientierung dafür verwenden. Das kostet uns sehr viel Zeit und Arbeit. In vielen Lehren und Religionen wird gerne postuliert, dass es erstrebsam ist, nur den Moment wahrzunehmen, alle Gedanken um Zukunft und Vergangenheit auszuschalten. Ob es Meditation oder verändertes Bewusstsein genannt wird, sei dahingestellt. Es soll uns spüren lassen, dass wir lebendig und frei sind, offen für neue Lebenserfahrungen und Lebenseindrücke. Es soll uns von Sorgen und Bürden erlösen – Glück wahrnehmen lassen. Diese Bewusstseinserweiterung mag für viele erstrebenswert sein, warum auch nicht. Ich persönlich halte wenig davon. Ich halte mehr von Bewegung. Die dynamische Gestaltung des Augenblicks ist für mich massgeblich für Lebensfreude, ja sogar Lebenssinngebung. Alles ist im Hier und Jetzt, bewegt sich harmonisch mit dem Zeitverlauf und macht mich Handlungsfähig. Das gilt nicht nur für meine Gefühle und Gedanken, sondern auch für mein Körper. Ich habe da eine Vorstellung vom Leben – sei ein freier, beweglicher Geist innerhalb deiner Gefangenschaft, die sich Leben nennt.

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