Podcast
„Viele reden so lange um den heißen Brei herum bis er zu stinken anfängt“
Anke Maggauer-Kirsche (*1948), deutsche Lyrikerin, Aphoristikerin und ehemalige Betagtenbetreuerin in der Schweiz
Ich bin müde: körperlich nicht, dafür geistig umso mehr. Warum Menschen sich und andere das Leben so schwer machen, verstehe ich schon. Die Auswirkungen zermürben mich dennoch. Sinnlose Diskussionen, die wie Schattenkämpfe die wahren Ursachen verstecken sollen, rauben mir viel Energie. Ich bin richtig müde, kann kaum Verständnis aufbringen und das, obwohl ich verstehe, warum es so ist. Meine Bereitschaft geduldig zu sein, mit großzügigem, emphatischem Verhalten meinen Mitmenschen zu begegnen, ist ausgeschöpft. Ich will nicht mehr über das Wetter Diskutieren, wenn es nicht um das Wetter geht. Ich will nicht mehr meine Entscheidungen rechtfertigen, insbesondere dann, wenn sie aus persönlichen Ängsten infrage gestellt werden. Wenn mich jemand rational und begründet kritisiert, dann bin ich dankbar. Wenn mich jemand für eigene Unzulänglichkeiten benutzen will, dann wehre ich mich. Das geht im einzelnen Fall sehr gut: in einer Gruppe leider nicht. Die Gruppe wird dann als Wirt instrumentalisiert. Gerade diese tolle Eigenschaft, die sog. Gruppendynamik, eignet sich wunderbar, um sich aus der Eigenverantwortung zu drücken. Die Gruppe wird zum Mülleimer, soll alles richten, soll Veränderungen herbeizaubern, damit die Problembehafteten sich nicht ändern brauchen. So läuft es jeden Tag, in vielen Betrieben, Familien, Vereine und Institutionen: es lebe die klassische Instrumentalisierung. Versuchst du diese aufzulösen, sprichst du es in der Gruppe direkt an, bist du der böse Bube. Viel Erfolg, um in der Sache weiterzukommen, ist dabei kaum zu erwarten. Die gesamte Gruppe wendet sich gegen dich; eine weitere Möglichkeit die wahren Ursachen der Konfliktsituationen anzugehen rückt weiter weg. Hurra, sage ich nur – super Erfolg für die Trubelmaker – ihr Ziel ist erreicht: Schlagt euch gegenseitig und „gegensätzlich“ die Köpfe ein, ändert die ganze Welt und mir geht es durch besser. Die entscheidende Frage ist: geht es ihnen besser? Kurzfristig vielleicht; auf Dauer sicher nicht.
Ich bin wirklich müde diese Spielchen weiterzutreiben. Was kann ich tun, um meine Situation zu verbessern? Geduldig warten, bis sich meine Lieben derart verfahren, dass sie sich selbstständig schachmatt setzten. Ist das nicht gemein? Ja, das ist es – sie sind auch zu mir gemein.