Diese Frage wird in den letzten Jahren häufig gestellt. Viele Studien rund um die Persönlichkeitsforschung belegen, dass es möglich ist Persönlichkeitsmerkmale zu verändern. Natürlich werden neben Umwelteinflüssen auch andere Kriterien aufgelistet, die dazu beitragen können. Ein Kriterium für eine Persönlichkeitsänderung ist sicher eine starke Belastung, wie z.B. traumatische Erlebnisse. Daher habe ich mir die Frage gestellt, ob meine unheilbare Krebserkrankung, die mit Sicherheit mein komplettes Leben verändert hat, einen starken Einfluss auf meine Persönlichkeit zur Folge hatte. Mehrere Operationen, Chemotherapien sind wohl traumatisch genug und ich glaube kaum, dass man das so ohne weiteres wegsteckt. Gesundheit ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Wer schwer erkrankt ist, realisiert es früher oder später. Das gesamte Leben wird bei einer schweren Erkrankung komplett auf den Kopf gestellt, denn alle Bereiche sind unmittelbar brutal betroffen. Damit umzugehen ist wahrlich nicht leicht, aber dass soll hier nicht weiter erwähnt werden.
Wie hat sich meine Erkrankung auf meine Persönlichkeit ausgewirkt, dass ist die Frage. Ich hatte im März 2018 ein Persönlichkeitstest gemacht. Die böse Überraschung mit der Diagnose bekam ich im Dezember 2018. Seitdem habe ich vieles durchgemacht und wenn das keinen Einfluss auf meine Persönlichkeit hatte, dann weiß ich nicht, was noch kommen soll, um mich zu ändern. Also habe ich den gleichen Test nochmal gemacht.
Hier das Ergebnis
Meine Grundstruktur ist die gleiche geblieben, d.h., ich bin nach wie vor der Horst geblieben, der vor der Erkrankung war. Gehen wir die Hauptkategorien der Big 5 Schritt für Schritt durch.
- Neurotizismus: bin nach wie vor gleich emotional stabil, was sehr erfreulich ist.
- Extraversion: hier hat sich auch nichts geändert, bin überaus kontaktfreudig, gesellig und gesprächig.
- Gewissenhaftigkeit: eine erste große Überraschung für mich; ich bin deutlich schlampiger geworden. Mir ist die ganze Welt egaler und fordere weniger von mir und meinen Mitmenschen.
- Offenheit: auch da hat sich nichts getan, was mich sehr beruhigt. Ich bleibe neugierig und wissbegierig.
- Verträglichkeit: keine Änderung, bleibe immer noch direkt und brauche keine große Anerkennung durch andere.
Meine Persönlichkeit hat sich in vier Jahren schwerer Krankheit kaum geändert. Das freut mich außerordentlich und ich bin sehr stolz darauf. Ich habe gelernt mit meiner Situation zurechtzukommen, den Alltag zu bewältigen und mir treu zu bleiben. Daher mein Fazit; eine lebensverändernde Situation muss nicht eine Persönlichkeitsänderung zur Folge haben. Es kommt auf dich darauf an, wie du solche Ereignisse bewältigst.
Der B5T Persönlichkeitstest misst noch drei weitere Größen, die als Bedürfnisse definiert werden.
- Bedürfnis nach Macht und Einfluss: hat sich nichts geändert. Ich hatte noch niemals Lust auch Macht, obwohl ich beruflich sehr bald leitende Funktionen innehatte.
- Bedürfnis nach Sicherheit und Ruhe: ist etwas weniger ausgeprägter geworden. Das macht für mich wenig Sinn, denn ich brauche sehr viel mehr Regeneration und bin wenig belastbar. Subjektiv ist das die größte Überraschung für mich. Ich hätte gedacht, dass ich mich eher im Schneckenhaus verstecken wollte.
- Ehrlichkeit bei der Eigeneinschätzung: wie gehabt, ich gebe kleine Schwächen gerne zu und bin nicht auf eine positive Selbstdarstellung angewiesen.
Fazit
Meine schwere Krebserkrankung hat wenig Einfluss auf meine Persönlichkeit gehabt. Ich bin kaum „anders“ geworden, obwohl sich mein Leben stark verändert hat. Ich glaube es liegt an meiner Situation, denn ich habe ein glückliches Leben, eine sehr glückliche Beziehung und ich bin sozial abgesichert. Auch habe ich sehr an meiner Person gearbeitet. Ich bin und war immer selbstkritisch und introspektiv. Ich mag es nicht, wenn Menschen die Eigenverantwortung für ihr Leben nicht übernehmen und über Missstände klagen. Mit dem Finger zu zeigen, die Schuld für das eigene Schicksal anderen zuzuweisen ist sicher einfach. Es ist mein Schicksal und nur ich bin dafür verantwortlich. Das Leben ist nicht gerecht! Wir können daraus lernen oder auch untergehen. Ich bleib wer ich bin, entwickle mich weiter und das hoffentlich solange ich lebe. In diesem Sinne liebe Leser und Leserinnen – Es liegt überwiegend an euch, ob und wie ihr euch verändert. Ich bin überzeugt, dass wir uns durchaus in unseren Persönlichkeitsmerkmalen ändern können. Die entscheidende Frage ist, ob es Sinn macht es zu tun. Wenn wir es tun, dann sollten wir es nur für uns selbst tun und niemals weil es jemand von uns fordert.