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Zwei befeindete Motivatoren

Ein neuer Ansatz zum Verständnis von Motivation

Wie viel Wissen gibt es über Motivation? Nun fangen wir mal mit der Motivationstheorie an. Mit Sicherheit ist die Bedürfnishierarchie nach Masslow das verbreiterste Modell, um die Motivation zu erklären. Hier wird in fünf Schritten eine Bedürfnispyramide postuliert, die von der den physiologischen Bedürfnissen als Basisbedürfnis über Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Wertschätzung für Anerkennung von dem Status bis zu Spitze zur Selbstverwirklichung gipfelt. Dieses Modell ist von 1954, ich kenne es seit 1980 und ganz ehrlich, so ganz nachvollziehen kann ich es heute 2021 immer noch nicht. Warum das postulierte mit Motivation zu tun haben soll, ist mir nach wie vor ein Rätsel.

Ich krame also in meinen alten Skripten herum und finde ein Beispiel für die Anwendung des Maslowschen Modells als Motivation und Führung von Mitarbeiter*innen in einem Betrieb.

Die Fragestellung war: Aus dem Maslowschen Modell können Sie vieles für die Führung Ihrer Mitarbeiter*innen ableiten.

  • Wie können die Mitarbeiter im Unternehmen ihre verschiedenen Bedürfnisse befriedigen?
  • Welche Fördermöglichkeiten gibt es?
  • Wo gibt es Ansatzpunkte zur Motivation der Mitarbeiter?

Gut, das macht alles Sinn, aber was hat das mit meiner Motivation zu tun? Das ist alles so abgegriffen und heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Ich bin mir sicher, dass das 1954 in den Betrieben ganz anders war. Damals waren die Unternehmensstrukturen völlig anders als sie es heutzutage sind. Wir brauchen also neue Ansätze, neues Verständnis für die Motivatoren.

Also bleibe ich bei der Arbeitswelt und finde sehr bald tolle Ideen, wie die zehn Top-Motivatoren der Arbeitnehmer.

Auch das was da geschrieben und durch Studien belegt wird, ist nicht ganz das was ich suche. Es geht um bestimmte Faktoren und Bedingungen, aber nicht wirklich um Mechanismen, die mir die Motivation verständlich erklären. Jetzt könnte ich weitersuchen, stundenlang recherchieren und mich schlauer machen. Dann frage ich mich, will ich das, bin ich motiviert das zu tun? Meine Antwort folgt sofort – nein, das will ich nicht. Ich habe ja schließlich ein Gehirn, Verstand und viel Erfahrung mir selbst die Frage zu beantworten.

Die erste Überlegung oder Fragestellung ist, was treibt mich an, wenn ich voller Elan eine Aufgabe oder eine Herausforderung angehe? Ich versuche dabei Masslow zu vergessen, denn im ersten Moment sind mir fünf Schritte vier Schritte zu viel. So – und was kommt mir als erstes in den Sinn?

Es bringt mir was – das ist in erster Linie ein absolutes Eigeninteresse.

Uups, denke ich mir, ich bin also doch recht egoistisch und vielleicht sogar rücksichtslos. Ich kenne einige egomanische und rücksichtslose Gesellen, die genauso ticken. Es gibt mich, meine Interessen und sonst nichts auf der Welt. Nein, so bin ich nicht und doch ist dieser Motivator das erste was mir in den Sinn kam. Es ist also ein wichtiger Teil von mir der mich wirklich vorantreibt Dinge zu tun.

Gut, ich nehme diese Anteile als gegeben an und frage weiter: Gibt es sonst was Starkes in mir, das mich motiviert? Und siehe da, ja das gibt es!

Es ist der Glaube oder die Überzeugung das es richtig ist es zu tun. Es ist etwas, was nicht mit meinem Eigeninteresse zu tun haben muss, etwas was eher einem Idealismus nahekommt.

Es bringt der Allgemeinheit etwas – das ist in erster Linie Idealismus.

Jetzt komme ich ins Grübeln. Eigeninteresse versus Idealismus als Antagonisten im Motivationsprozess zu betrachten ist eine spannende Idee. Ich sollte versuchen diese Gegenspieler qualitativ und quantitativ zu erfassen. Sofort sehe ich eine Möglichkeit, nämlich eine Skala zu erstellen, bei der links 100% Eigeninteresse und rechts 100% Idealismus steht. In der Mitte steht dann 0%.

Motivations-Test / Horst von Bohlen

Jetzt brauche ich nur noch auf der linken und der rechten Seite jeweils einen Strich zu machen und schon weiß ich, wie sich meine Motivation zusammensetzt. Freilich mache ich das bezogen auf die jeweilige Aufgabe. Das befriedigt mich enorm. Das andere noch nicht auf diese Idee gekommen sind… oder vielleicht doch? Egal – ich glaube ich habe es erfunden.

So, jetzt will ich mal mein System überprüfen und setze es praktisch um. Dazu nehme ich zwei unterschiedliche Beispiele.

Beispiel 1
Ich sollte viele Videos und Audiobücher für unser 261 Programm fertigstellen. Ich weiß es bedeutet viel Mühe, Zeit und Sorgfalt. Wie hoch sind die jeweiligen Anteile an Selbstinteresse und Idealismus?

Mein Selbstinteresse hält sich in Grenzen. Es ist eine Fleißarbeit, die mich nicht gerade beflügelt. Ich kann nicht viel neues dabei lernen, ich bekomme dafür auch kein Lohn. Ebenfalls werde ich dadurch auch nicht viel Dankbarkeit ernten. Damit erfreue ich meine liebe Frau, denn ich unterstütze sie. Sie ist mir sicher dankbar, wenn ich es tue und wird mich dafür hoffentlich in irgendeiner Weise zusätzlich belohnen. Mit anderen Worten, mir persönlich bringt es wenig. Ich trage 25% Selbstinteresse im Test ein.

Den Idealismus kann ich eher höher einschätzen. Ich weiß, wie wichtig es ist, im Leben etwas Gutes zu tun. Ich weiß auch wie notwendig diese Videos und Audiobücher für viele Frauen sein können. Es ist schön einen kleinen Beitrag für eine bessere Welt leisten zu dürfen, auch dann, wenn man persönlich nicht davon profitiert. Ich trage 90% Idealismus ein.

Jetzt wird natürlich der Aufmerksamer Leser sagen, das System ist falsch, weil letztendlich ist man nur dann idealistisch, wenn man einen Eigennutzen davon hat. Diese Frage habe ich mir sehr oft im Leben gestellt. Nehmen wir wieder das Beispiel; bin ich nur deswegen so idealistisch motiviert, weil ich damit ein Eigennutzen befriedige, wie, z.B., ich befriedige nur mein schlechtes Gewissen oder ich erhoffe mir dadurch einen besseren Ruf? Meine Antwort darauf ist sehr simpel. Dann bescheiße ich mich selbst, weil ich nicht ehrlich zu mir bin. In diesem Fall müsste ich immer alles was ich als Motivator angebe, zu 100% als Eigennutz angeben oder ich nehme das andere Extrem: 100% Idealismus. Dazu fallen mir zwei passende Diagnosen ein -> Narzisstische Persönlichkeitsstörung, Dependente Persönlichkeitsstörung.

 

Beispiel 2
In einem Video, dass ich für unser 261 Programm geschnitten habe, sah ich Dehnungsübungen. Ich habe diese Übungen dann selbst ausprobiert. Dabei musste ich extreme Defizite bei mir feststellen, ich bin steif wie Harry, meine Muskulatur ist stark verkürzt! Ich beschließe etwas für mich zu tun.

Mein Selbstinteresse ist hier sehr hoch. Mein Problem ist die Überwindung diese Übungen auch tatsächlich konsequent durchzuführen. Der persönliche Gewinn ist aber sehr motivierend für mich. Ich trage 95% Eigeninteresse im Test ein.

Was ist hier an Idealismus vorhanden? Nun, ich kann für mich kaum solches erkennen, höchstens, dass ich ein besseres Vorbild für andere Menschen werde. Schließlich propagiere ich immer und immer wieder, wie wichtig Workouts zu Kräftigung der Muskulatur für Gesundheit und Profilaxe sind. Es ist nicht gut, wenn Propheten sich nicht nach den eigenen Regeln verhalten. Gut, ich bin ehrlich – das ist mir ziemlich Wurscht. Also trage ich hier 10% Idealismus ein.

Nachwort

Ich habe den Titel dieses Beitrags bewusst so gewählt. Dabei sind beide Motivatoren zwar gegensätzlich, jedoch keineswegs miteinander befeindet. Sie brauchen aneinander, sie ergänzen sich und sie beflügeln sich. Der Feind ist der Mensch selbst, der sie verrät, der sie belügt und gegeneinander ausspielt. Der Konflikt zwischen Eigeninteresse und Idealismus ist ein notwendiger, fruchtbarer Konflikt, der uns sehr motivieren kann. Lösen wir diesen inneren Konflikt erfolgreich, dann sind wir in der Lage beinahe jede Situation, Herausforderung oder Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Mein Ansatz spielt sich nur auf der fünften Masslowschen Ebene ab. Die Motivation kann und soll sich aus meinem Verständnis heraus nur im Sinne der Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsebene entfalten. Alles andere ist unnützes Geplänkel, um von der eigentlichen Verantwortung gegenüber der Motivation abzulenken. Machen wir aus Feinden Freunde und wir werden viel Freude erleben. Ein steifer, verkürzter Muskel kann lernen sein Horizont auszuweiten, ein Gehirn auch 🙂

 

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